Kunst

Die Kunst der Antike war für Winckelmann nicht allein von historischem Interesse. Vielmehr sollte aus der Beschäftigung mit ihr ein Begriff von Schönheit erwachsen, der den zeitgenössischen Künstlern Orientierung geben konnte. Die Nachwelt hat Winckelmanns ästhetisches Programm meist auf einige wenige, bis heute zitierte Stichworte reduziert, wozu vor allem die Idee der »edlen Einfalt und stillen Größe« erhabener, marmorweißer, möglichst ruhiger und ausdrucksloser Körper gehört. Als besonders wirkmächtig erwies sich dieses Bild im 19. Jahrhundert, als es darum ging, Epochenbegriffe wie »Klassik« und »Klassizismus« mit bestimmten Vorstellungen zu versehen und etwa gegen das Barock abzugrenzen. In einer zum Grundbaustein der klassischen »Lehre« erhobenen Winckelmann-Interpretation wurden dabei gerade die Aspekte beiseitegelassen, die sich in seinen Schriften nicht oder nicht eindeutig auf solche »klassizistische« Prinzipien zurückführen lassen. Wie ambivalent und damit vielfältig anschlussfähig Winckelmanns ästhetische Auffassungen tatsächlich waren und sind, führen die Themen Ausdruck, Farbe und Linie vor Augen und zeigen dabei, wie die folgenden Künstlergenerationen – zustimmend oder ablehnend – auf seine Impulse reagiert haben.