Zugänge zur Antike
Winckelmann hat im Laufe seines Lebens verschiedene Zugänge zur antiken Kunst erprobt: Lange Zeit verließ er sich allein auf Bücher, später wollte er sie vor allem sehend und fühlend verstehen. Reines Bücherwissen erschien ihm nunmehr als unzureichend.
Bevor er im Alter von 38 Jahren die Kunstwerke Roms mit eigenen Augen sehen konnte, ging Winckelmann zunächst den traditionellen Weg des »Büchergelehrten« als Hauslehrer und Bibliothekar. Erst der regelmäßige Besuch der Dresdner Kunstsammlungen ab 1754 bringt die Wende: Zum ersten Mal sieht er neben modernen Gemälden auch antike Kunstwerke und verspürt den Wunsch, sich die Antike nicht mehr nur lesend, sondern in direkter Anschaung zu erschließen. Seine Übersiedlung nach Rom Ende 1755 stilisierte Winckelmann daher gern zu einem Moment fundamentaler Selbsterkenntnis: »Ich habe erfahren«, so heißt es kurz nach seiner Ankunft, »daß man halbsehend von Alterthümern spricht aus Büchern, ohne selbst gesehen zu haben«. Gegen das »falsche«, nur aus Büchern gewonnene Kunstwissen spielt er fortan die »wahre«, auf eigener Betrachtung beruhende Kunstkenntnis aus. Und dennoch: Auch in Rom, wo Winckelmann in der Villa Albani wohnt und zum Aufseher über die Altertümer aufsteigt, hat er keineswegs mit der gelehrten Praxis des Lesens gebrochen. Es sind beide Komponenten, Büchergelehrsamkeit und empirisches Kunstwissen, die die Grundlage seiner Werke bilden.