Epilog

Die eingehende Auseinandersetzung mit den römischen Altertümern führte Winckelmann allmählich zur Erkenntnis, dass die Antike unwiederbringlich verloren ist. Von den griechischen Originalwerken waren nach mehr als zweitausend Jahren oft nur noch fragmentarisch überlieferte Kopien, meist aus römischer Zeit, vorhanden. Umso größer war seine »Sehnsucht nach dem Verlohrnen«. Anstatt aber den Verlust der Antike nur zu beklagen, macht Winckelmann ihn zur Grundlage einer produktiven Maxime: Er gesteht der Imagination bei der Vervollständigung des nur bruchstückhaft Vorhandenen eine zentrale Rolle zu, so etwa, wenn er aus dem verstümmelten Torso vom Belvedere wieder einen lebendigen Herkules macht. Winckelmann ist hiermit einer der ersten Schriftsteller, der mit einer solchen Prägnanz den Gedanken formuliert, dass die Antike sich nicht ohne die produktive Einbildung der Modernen denken lässt.